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Wie relevant ist Bewegungsqualität für Verletzungen im Sport?

Wie relevant ist Bewegungsqualität für Verletzungen im Sport?

Mechanik hin, Mechanik her. Wenn es um Verletzungen geht wird die Bewegungsqualität gerne in den Vordergrund gestellt. Doch wie relevant ist diese wirklich? Um das zu verstehen schauen wir uns das Argument beim Thema Vorderes Kreuzband (VKB) genauer an.

2.160 Newton (N). Dies ist eine häufig zitierte Zahl, wenn es darum geht die Rissfestigkeit des VKB zu bestimmen. Das heißt, dass sobald eine Kraft von mehr als 2.160 Newton auf das Kreuzband wirkt, reißt es. Wenn wir das ganze in einem Fallbeispiel analysieren wollen, schaut das wie folgt aus:

Athlet X landet für einen Richtungswechsel einbeinig am Boden. Er hat ein Körpergewicht von 65 Kilogramm und erfährt eine Bodenreaktionskraft in Höhe des 5-Fachen Körpergewichts. Die Kraft (F=m x g) die auf Athlet X wirkt ist somit 65kg × 9,81m/s2 × 5 = 3.188 N. Somit ist die Kraft die wirkt größer als die Rissfestigkeit des Bandes, was zu einer Ruptur führen sollte, oder?

Nicht ganz. Dies wäre der Fall wenn wir uns über ein passives System unterhalten würden (wie wenn eine Axt auf Holz trifft). Der Menschliche Körper ist ein aktives, dynamisches und komplexes System zugleich. Und mit Hilfe von Muskeln und Gelenken können Kräfte absorbiert werden. Das ist der Grund warum sich nicht jeder einzelne Sportler während eines Richtungswechsels oder einer Landung aus großer Höhe ein Band reißt.

Schön und gut. Was hat das Ganze jetzt aber mit Bewegungsqualität zu tun?

Die (v.a. mangelhafte) Bewegungsqualität wird oft als schwarzes Schaf dargestellt. Wobei "schlechte" Bewegungsmechanik die wirkenden Kräfte auf das VKB beträchtlich erhöhen kann. Auch wenn dieses Argument korrekt ist, und wir wissen das bestimmte Bewegungen das VKB mehr belasten als andere.

Doch wichtiger ist es, den Punkt, dass Muskeln Kräfte absorbieren, hervorzuheben. Je höher die Muskelkraft, desto mehr Kraft kann über dieses System abgeleitet werden (weg vom Gelenk). Das heißt so viel wie:

Wenn die Muskelkraft hoch genug ist, dann ist die Bewegungsqualität (fast) egal!

Das muss man erstmal auf sich sitzen lassen. Auch wenn wir wissen, dass ein Knievalgus (=Knieabduktion), anteriore Tibia-Translation sowie tibiale Innenrotation die Last auf das Kreuzband erhöhen, können stärkere Muskeln damit umgehen (oder zumindest um einiges besser als schwache Muskeln).

Natürlich heißt das nicht, dass Technik unwichtig ist – aber sie tritt hinter die Rolle der Kraft zurück.

Fazit: Hohe Muskelkraft kann suboptimale Bewegungsmechanik bis zu einem gewissen Grad kompensieren. An Bewegungsqualität zu arbeiten macht Sinn – vor allem bei offensichtlichen Defiziten. Doch gerade im Leistungssport sollte man vorsichtig sein, eingespielte Techniken unnötig zu verändern. Unser Vorschlag: Erst Kraft steigern, dann Technik optimieren.

Mehrere Wege führen nach Rom (oder zur Lastreduktion), aber manche sind effektiver, als andere.